Sri Lanka /Tsunami - Spenden"Wo ist das versprochene Geld?" - Die meisten Menschen sitzen nach wie vor auf den Trümmern ihrer Häuser und warten. Keiner von ihnen hat bisher das zugesagte Geld von der Regierung bekommen. Persönliche Eindrücke und Einschätzung der Situation vorort im Februar 2005.Fahrt von Hambantota nach Matara Ca. 2 km vor der Küste merkt man langsam, daß etwas nicht stimmt. Es gibt Tümpel an Stellen, wo vorher keine waren, Gegenstände, die nicht in die Landschaft gehören, liegen verstreut umher. Auf grünen Reisfeldern schimmern bunte Plastikstühle, an der Straße häufen sich Schüsseln, Teile von Palmen, Gebrauchsgegenstände, Möbel, Kleidung und immer mehr Sand. Je näher wir der Küste kommen, desto höher werden die Berge von Unrat. Ein abgelassenes, riesiges Wasser-Reservoir ist mit seinen großen Becken links von uns zu erkennen.
Der Boden ist weiß, es ist das Salz des Meerwassers, das hereingespült worden war. Hunderte von Leichen seien allein aus diesen Becken geborgen worden, sagt man mir. Mit jedem Meter Richtung Küste werden die Funde skurriler, die Sanddünen höher. Und ganz unvermittelt ist das Meer vor uns. Wir fahren Richtung Westen an der Küste entlang, Teile der Uferstraße sind weggebrochen. Riesige Steinblöcke, die als Wellenbrecher eingesetzt worden waren, liegen wie Murmeln umher. Wir fahren in Hambantota ein, es sieht aus wie nach einem Bombenangriff.
Die Häuser an der Meeresseite existieren nicht mehr, betonierte Fundamente und Wandstücke markieren, wo einmal Gebäude gestanden haben. Die Trümmerberge sind meterhoch. Die Häuser auf der anderen Straßenseite Richtung Inland sehen aus, als hätte dort eine riesige Abrissbirne gewütet. Große Löcher klaffen in den Wänden der Häuser, Dächer hängen herunter, ganze Wände fehlen. Zwischen den Trümmern scharen sich Menschen um einzeln aufgestellte Zelte an Lagerfeuern, wo der Unrat brennt. Sie sitzen auf gerettetem Mobiliar zwischen Brettern, Betonteilen, Eisenträgern, Wellblech, Mauerresten. Wir kommen an einer riesigen Zeltstadt vorbei.
Weiße, große Zelte mit der Aufschrift UNHCR stehen in fast beschämender Ordnung in Reih und Glied inmitten des Chaos. Im Inneren der Zelte befinden sich manchmal ganze Wohnzimmereinrichtungen, öfters aber nur ein paar Kartonagen als Unterlage. Am Eingang der Zeltstadt ein Banner: „MALAYSIA CARES“.
Die Fahrt auf der Küstenstraße wird zum Schaulauf immer verzweifelterer Improvisationsversuche. Der Erfindungsreichtum, sich eine notdürftige Bleibe zu bauen, kennt keine Grenzen. Ich entdecke notdürftige Unterkünfte aus gestapelten Autoreifen, Kartonagen, Matratzen. Von ernsthaftem Wiederaufbau ist kaum etwas zu erkennen. Wer Bretter hat, baut sich Holzbuden. Einige Kilometer weiter kommen wir an einem Plakat vorbei. An dieser Stelle hatte offenbar ein italienisches Guest House gestanden.
Ein paar Sekunden reichen, um das italienische Plakat zu übersetzen: „OH GOTT, WARUM HAT UNS NIEMAND DARAUF VORBEREITET?!“ An einer kleinen Zeltkolonie ein Schild: „LOOK AT US!“
Kurze Zeit später stehen wir im Stau. Fischerboote werden von der Straße geborgen, eines ist in der Mitte auseinander gebrochen. Später passieren wir irgendwann unweit von Matara eine kleine Sammelstation. Eine Handvoll weißer Soldaten (Amerikaner?) geben Planen und Decken aus, große schwarze Wassertanks, die bis zu 1000 l Wasser fassen können, stehen bereit. Unter einer Plane ein improvisiertes „MEDICAL CENTER“. Auf einem der Wassertanks klebt ein buntes, von Kindern gemaltes Plakat, auf dem zu lesen ist: „HAPPY TOGETHER!“, darunter die Namen der Kinder in singhalesischen Buchstaben. Ich weiß nicht, ob ich lachen oder weinen soll…
Polhena Beach ist total verwüstet. Auch hier haben nur bloße Hände versucht, die Trümmer zu beseitigen. Ich sehe Friedhöfe in unmittelbarer Strandnähe, die unterspült und deren Gräber ausgehebelt wurden. Drei frische Grabhügel direkt neben dem Weg, ein großes und zwei kleine. Eine Mutter und ihre Kinder sind hier ertrunken. Mit den Einheimischen stakse ich durch die Trümmer, finde Kämme, Fliesen, Schulhefte, Kassetten, Kinderspielzeug, Lockenwickler, Kleidung, Schuhe, unkenntliche Fotos, Möbel und andere Gebrauchsgegenstände. Über den Türöffnungen der Häuserreste sehe ich die traditionellen Holzmasken hängen, die mit bunt bemalten, schrecklichen Gesichtern das Unheil abhalten sollen. Sie haben diesmal nichts genützt.
"Wo ist das versprochene Geld?"
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