Swakopmund - das südlichste Nordseebad der WeltWenn Sie ein deutsches Nordseebad wie Westerland oder Norderney nehmen würden, es 10.000 km weit nach Süden an den Südatlantik verfrachten würden, drum herum eine Wüste setzen und 80 % der Bevölkerung eine dunklere Hautfarbe verpassen würden - dann würden Sie Ihre Zeit verschwenden. Denn es sieht sehr stark so aus, als ob jemand genau das bereits getan hat.
Ich spreche von der Stadt, die ich gestern erreicht habe: Swakopmund, an der namibischen Atlantikküste. Eine faszinierende Stadt, die mir sehr gut gefällt.
Die Stadt ist von Deutschen gegründet worden, und zwar im Jahr 1892. Zu diesem Zeitpunkt war das heutige Namibia als damaliges Deutsch-Südwestafrika deutsche Kolonie, allerdings ohne eigenen Hafen. Die Im- und Exporte liefen entweder über Südafrika oder über den britischen Hafen Walfish Bay, eine britische Enklave in der deutschen Kolonie. Schon damals wurde volkswirtschaftlich gedacht, und ein eigener Hafen sollte her.
Der deutsche Hauptmann Curt von François entschloss sich daher, an der Küste, mitten in der Wüste (die Namib-Wüste reicht bis unmittelbar an den Atlantik), einen Hafen zu errichten, "in the middle of nowhere". An der Mündung des wasserlosen Flusses Swakop (der nur in der Regenzeit Wasser führte), deshalb auf den Namen Swakopmund getauft.
Mit deutscher Gründlichkeit entstand hier mitten in der Wüste eine Stadt, in der es von Jugendstilbauten nur so wimmelt. Peter Scholl-Latour hat Swakopmund deshalb einmal als "schwarz-weiß-rotes Disneyland" bezeichnet, was mir aber zu negativ klingt. Am Ufer ein Leuchtturm wie an der Nordsee, nur die Palmen erinnern daran, dass man sich nicht in nördlichen Gefilden befindet. In dieser Stadt sind die Deutschen tatsächlich eine Gruppe von "Eingeborenen", bis auf den heutigen Tag.
Das führt zu einer Kombination, die einmalig ist: Wüste plus Jugendstil, Palmen plus namibisches Bier, das nach dem Deutschen Reinheitsgebot von 1516 gebraut wird. Eine babylonische Sprachenvielfalt plus klarste Luft, aber auch Armut, hohe Arbeitslosigkeit und eine hohe Zahl an HIV-Positiven. Ersteres lässt sich genießen, letzteres hoffentlich ändern ...
Michael Vaupel
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