Ein kleiner Parkspaziergang im August 2004. Ein Reisebericht von Anke Schlingemann & Detlef Hälker.
Geschichte des Parks
Der 29jährige Goethe schrieb an Freifrau von Stein 1778 über das "Neue", das hier rings um ihn war, und niemand hat dieses Neue genialer erfasst:
"Hier ists jetzt unendlich schön. Mich hats gestern Abend, wie wir durch die Seen, Kanäle und Wäldchen schlichen, sehr gerührt, wie die Götter dem Fürsten erlaubt haben, einen Traum um sich herum zu schaffen. Es ist, wenn man so durchzieht, wie ein Märchen, das einem vorgetragen wird, und hat ganz den Charakter der elysischen Felder; in der sachtesten Mannigfaltigkeit fließt eins in das andre; keine Höhe zieht das Auge und das Verlangen auf einen einzigen Punkt; man streicht herum ohne zu fragen, wo man ausgegangen ist und hinkommt. Das Buschwerk ist in seiner schönsten Jugend, und das ganze hat die reinste Lieblichkeit.
Ein kleiner Parkspaziergang
Am 1769 erbauten, renovierungsbedürftigen Schloss, das als Gründungsbau des deutschen Klassizismus gilt, beginnen wir unseren Spaziergang. Das benachbarte, mit dem Schloss durch einen unterirdischen Gang verbundene Küchengebäude mit dem Sommersaal ist ein Mehrzweckbau mit u-förmigem Grundriss, der ursprünglich Wirtschaftsräume beherbergte. Heute sind darin eine Gaststätte sowie das Besucherzentrum untergebracht. Rückseitig, zum Kirchhof hin, zeigt das Gebäude in eine zaghaft neugotische Gestaltung. Der Kirchhof, östlich des Küchengebäudes zwischen Marstall, Haus der Fürstin (Graues Haus) und Probstei (neugotischer zweigeschossiger Backsteinbau mit Stufengiebel) gelegen, ist ein selbständiger Gartenraum, der zu der 1200 geweihten romanischen Kirche St. Petri gehörte. Im 66 m hohen Kirchenturm war seinerzeit die Wohnung der Glöcknerin untergebracht.
Weiter geht es in Richtung Wörlitzer See. Den vierarmigen Wörlitzer See - ein Altwasser der Elbe - umschließt die in fünf Einzelgärten gegliederte Parkanlage. Zwei weitere Seen, das Große und das Kleine Walloch entstanden bei Durchbrüchen des Schutzdeiches der Elbe als Erosionsgewässer. Die Seen sind durch Kanäle verbunden, die das Gelände in einzelne Areale teilen.
An der Anlegestelle der Amtsfähre steht die Synagoge, die nach dem Vorbild des Portunustempels am Tiber bei Rom gestaltet wurde. Die Besichtigung der derzeit eingerüsteten „Felseninsel Stein“ sowie der „Grotte der Egeria“ lassen wir aus und setzen statt dessen mit der Fähre auf die andere Uferseite über. Das nächste Ziel ist das „Große Walloch“.
Ein großer Teil der Parkanlagen wurde bei der Hochwasserkatastrophe 2002 beschädigt, so auch das Pantheon, das leider eingerüstet ist. Wir umrunden den kleinen See und haben einen schönen Blick auf die „Amalieninsel“ mit der „Amaliengrotte“ und überqueren die „Brücke aus einem geteilten Eichenstamm“ sowie die „Eiserne Brücke“.
Als wir die „Große Wiese“ erreichen haben wir einen schönen Blick auf das Gotische Haus. Es wurde geschaffen, um die altdeutschen Sammlungen des Fürstenhauses zu beherbergen. Der ältere Teil, die Kanalfront, ist die Wiedergabe eines Reiseeindrucks, der Nachbau einer der schönsten gotischen Kirchen Oberitaliens, Maria dell' Orto (Maria im Garten) in Venedig. Man versäume nicht einen der bedeutendsten Fächerblicke, der sich von der Eingangstür aus eröffnet (darüber lag Franz' Arbeitszimmer). Für das Museum und die spätgotische Glasmalerei-Sammlung musste 1785 der südliche Erweiterungsbau angesetzt werden, wodurch das Ganze so verwinkelt wurde wie ein echter gotischer Bau. Hier dominiert die norddeutsche Backsteinbaukunst. Mit diesem Bauwerk wurde Wörlitz auch Ausgangspunkt für die Neugotik in Deutschland.
Die „Weiße Brücke“ (auch chinesische oder Stufenbrücke) genannt, die ihr Vorbild in einer Brücke von Chambers im Garten von Kew hat, ist eine von ursprünglich 16 unterschiedlichen gewässerüberspannenden Konstruktionen im Park, die als pädagogisches Programm die Entwicklung der Brückenbaukunst aufzeigen.
Zwischen künstlichen Felsenbauwerken wurde die Kettenbrücke angelegt, ein gespanntes, schwankendes Hängewerk, das nur einzeln betreten werden darf.
Als nächstes erreichen wir den Venustempel, der als "das schönste und regelmäßigste Gebäude des ganzen Parkes" gilt. Das Vorbild, der Sybillentempel von Tivoli, ist wiederholt in verschiedenen Gärten Englands nachgebaut worden. 1774 erfolgte in Wörlitz eine Nachbildung aus Holz. Sie wurde 1794-97 durch eine dorische Sandsteinrotunde mit 10 Säulen ersetzt, die ihrerseits als Beispiel für verschiedene Tempelbauten jener Zeit diente. In dem allseitig offenen Tempel steht ein Gipsabguss der Venus von Medici (Göttin der Schönheit und der Liebe).
Das beherrschende Bauwerk des Floragartens, ist der Floratempel, der als Musikpavillon genutzt wurde. Er hat sein Vorbild in dem Ruinentempel über der Quelle des Clitumno in Umbrien. In dem Giebelfeld befindet sich ein Relief, das ein Opfer für die Flora (Göttin der Blumen ) darstellt. Die harmonische Verbindung des Tempels mit der Parklandschaft ist durch das vielfältige Blühen der Zierkirschen, Zieräpfel und des Flieders neben vielen anderen Ziersträuchern und Tausenden von Einjahresblumen und Stauden gestaltet. Die Kinder der Flora umblühen ihr Heiligtum. Dieses Ensemble wird durch das Blumentheater ergänzt. Im Sommer versetzt in einem geschlossenen Gartenbereich der Palmengarten mit seinen exotischen Pflanzen den Besucher in eine andere Welt.
Den Abstecher zur „Roseninsel“ und zu „Neumarks Garten“ haben wir leider ausgelassen und damit den Südseepavillon, den Bibliothekspavillon sowie das Labyrinth verpasst.
Für einen 2-3stündigen Spaziergang bietet dieser wunderschöne Park jede Menge interessanter Überraschungen.
Geschichte des Parks
Die erste Anlage, ein Barockpark, wurde 1764 von einem Hochwasser zerstört, die zweite, 122 ha große und heute noch existierende Anlage 1765 unter Leitung von J. F. Eyserbeck und Mitwirkung des Architekten von F. W. v. Erdmannsdorf und des Fürsten Leopold Friedrich Franz zu Anhalt-Dessau begonnen. Der Wörlitzer Park war der erste große deutsche Landschaftspark.
Nach der ersten Reise nach England 1763-64 fasste Fürst Franz den Entschluss zur Anlage dieses Landschaftsparkes. Beeinflusst vom Ideengut der Aufklärung und Rousseaus entstand ein Park mit einer dem Menschen dienenden Landschaft. Von seinen weiteren Studienreisen nach Italien, Frankreich, in die Schweiz und nach Holland brachte er immer neue Ideen mit, bei deren gartenkünstlerischer Umsetzung er oft selbst gestalterisch eingriff.
Die Harmonie des Menschen mit der Natur stellte der Fürst mit Pavillons, Grotten und kleinen Tempeln dar. Er versuchte, seine Reiseerlebnisse zu verewigen, indem er Nachbildungen von der ersten eisernen Brücke in Europa, der Coalbrookdale-Brücke in England, von einer chinesischen Hängebrücke und von der Blauen Grotte in Capri errichten ließ, er ließ den Vesuv nachbauen, der Feuer und Rauch speien konnte und selbst die Villa Hamilton, die ihn bei seinem Italienbesuch beherbergte. Was ihn auch immer beeindruckt hatte, ließ er im verkleinerten Maßstab nachbauen, und machte diesen Park der Öffentlichkeit zugänglich. Hierdurch zeichnet sich der Wörlitzer Landschaftspark gegenüber allen anderen Parkanlagen aus und ist in seiner Art einmalig.
Wörlitz bietet in reicher Fülle prächtige, ständig wechselnde Gartenbilder mit genial angelegten Sichtachsen und viel Anregendes aus dem Reiche der Kunst, der Geschichte, der Philosophie und der Natur, so dass jeder Besuch, ob zu Fuss oder in der Gondel sitzend, neue Schönheiten und Eindrücke vermittelt.
Die Gäste des Fürsten besuchten Wörlitz keineswegs nur wegen seiner kulturellen Schöpfungen, sie kamen auch, sich zu erholen und zu genießen. Fürst Franz war keineswegs ein Tugendbold, die drängende Lebensfülle ließ ihn die Freuden der Sinne mit vollen Zügen genießen: Jagd und Reiten, Tafel und Frauen hat er wie ein Kavalier der alten Schule geliebt. So findet man an vielen Stellen im Park und auch in den Kunstgegenständen Erotisches. Allerdings muss man es zu finden wissen. Zum Beispiel den Phallus vor dem Floratempel.
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