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Tunesien

Reisetagebuch Tunesien / Stationen der Reise

Freitag, 18. Juni 2004: Hammamet

Um 12.20 Uhr war unsere LTU-Maschine in Schönefeld gestartet, um 13.55 Uhr Ortszeit – eine Stunde Zeitverschiebung, weil Tunesien keine Sommerzeit hat – setzt sie auf dem Rollfeld des Flughafens von Monastir zur Landung an. Obwohl Monastir wohl eine der ältesten Touristenregionen von Tunesien ist, wirkt der Flughafen unscheinbar, und, abgesehen von unserer Maschine, auch ziemlich unbelebt. Es gibt zwei Wechselstuben, einen unbedeutenden Duty-free-Shop, aber dafür laufen die Einreiseformalitäten verhältnismäßig unkompliziert. Nach einer knappen Stunde stehen wir bereits an dem Bus, der uns nach Hammamet bringen soll.

Der Weg nach Norden führt über eine ordentliche – und kostenpflichtige – Autobahn vorbei an das ausufernde Sousse mit offensichtlich endlosen Vororten halbfertiger Backsteinbauten, Vororten, die angesichts der auf den unbebauten Flächen weidenden Schaf- bzw. Ziegenherden auch zu groß geratene Dörfer sein könnten und schließlich, nördlich von Sousse, an Plantagen mit Olivenbäumen, jeder Quadratmeter landwirtschaftlich genutzt.

Hammamets Ortsteil Jasmine, den wir zunächst erreichen, ist ein einziges Hotelviertel, mit einer breiten Strandpromenade, durch und durch sauber, aber dabei sieht man dennoch nur wenige Geschäfte, aber immerhin neben den Hotels etliche Restaurants und Kaffeehäuser, in denen aber kaum Betrieb herrscht.

Unser Hotel, das Parc Resort, liegt zwischen Jasmine und der Altstadt von Hammamet. Von der Terrasse über dem Sandstrand sehen wir im Süden die Hotelanlagen von Jasmine, im Norden, angeblich keine drei Kilometer entfernt, die festungsartige Altstadt von Hammamet.

Samstag, 19. Juni 2004: Hammamet

Die Anlage des Parc Resorts besteht aus einer Vielzahl einzelner Gebäude, den Villen mit den Zimmern für die Gäste, einer Sauna, die momentan aber leer zu stehen scheint, dem Restaurant, einer Terrasse mit dem Swimmingpool, es gibt eine Minigolfanlage und einen Tennisplatz, alle Gebäude verziert mit Kachelornamenten im maurischen Stil – und für die wenigen Gäste alles irgendwie überdimensioniert.

Nach dem Frühstück treffen wir um neun Uhr die ITS-Reiseleiterin im Nachbarhotel Continental, praktisch mit dem Parc Resort verbunden. Wir buchen eine Tour „Land und Leute“ in die Umgebung von Hammamet und eine weitere Tour nach Karthago, fahren dann mit dem Taxi für 2,5 Dinar (ein Dinar sind etwa 0,65 Euro) ins Hotel Venus, wo sich das Tauchzentrum von Hammamet befindet. Für Montag und Mittwoch checke ich mich auf dem Tauchboot ein, dann fahren wir zurück ins Parc Resort, wo wir die Zeit bis zum Mittagessen am Strand verbringen.

230 Dinar verdiene er im Monat, erzählt uns da am Strand der Bademeister des Hotels, dessen Hauptaufgabe darin zu bestehen scheint, den Hotelgästen die Strandliegen aufzustellen. Davon könne er mit seiner Familie, bestehend aus seiner Frau und den beiden Kindern, natürlich kaum leben, zumal er die meiste Zeit des Jahres über arbeitslos wäre. In den Wintermonaten würde er dann versuchen, etwa auf dem Bau zu arbeiten, wo man neun Dinar am Tag verdienen könne, aber eben auch nur an den Tagen, wo man Arbeit habe.

Nach dem Mittagessen machen wir eine dreiviertelstündige Strandwanderung bis an die Festungsmauern der Altstadt von Hammamet. Unmittelbar vor diesen Altstadtmauern, über die die weißen Kuppeln der Häuser und ein Minarett ragen, liegt eigentlich der schönste Strandabschnitt, nun genutzt von tunesischen Wochenendgästen und Liegeplatz einheimischer Fischerboote.

Als wir wieder an unserem Hotelstrand ankommen, hat dort gerade einer der Einheimischen einen mittelgroßen Rochen harpuniert, den er nun den Kameras der Gäste präsentiert.

Am Abend fahren wir dann noch einmal mit dem Taxi zur Altstadt, deren Mauern nun in der Dämmerung bereits rötlich angestrahlt werden. Die ganze ummauerte Altstadt ist kaum größer als zwei oder drei Fußballfelder, aber von der Dicke her könnten es die Festungsmauern wohl mit jeder anderen Befestigungsmauer aufnehmen. Fünf Meter sind es sicherlich, die diese rötlichen Mauern messen.

Der Muezzin ruft gerade zum Gebet, etliche Männer gehen tatsächlich in die kleine Moschee, aber ansonsten läuft der Basarbetrieb – jedes Haus beherbergt hier mindestens ein Geschäft – fast ungetrübt von den religiösen Pflichten weiter. Dabei sind es nicht einmal sonderlich viele Touristen, die hier durch die engen Basargassen schlendern, sondern vor allem einheimische Besucher, darunter auch viele Frauen. Und Kopftücher sieht man hier so gut wie gar nicht. In dem Kaffee, in dem wir noch einen Capuccino nehmen, sitzen Männer und Frauen gemeinsam wie in jedem anderen Kaffee Europas.

Was zunächst wie Wetterleuchten aussieht, entpuppt sich rasch als heraufziehendes Gewitter. Zum Glück schaffen wir es noch rechtzeitig, ins Hotel zurück zu kommen.

Sonntag, 20. Juni 2004: Enfidha – Takrouna – Zaghouan – Sidi Hammat

In Enfidha ist heute der Wochenmarkt. Wir erreichen den Vorort von Sousse, ein Ort zwischen Kleinstadt und Dorf und dazu ein Verkehrsknotenpunkt, von dem es aus unter anderem Richtung Kairouan geht, von der Landstraße kommend, etwa nach einer halben Stunde Fahrt gegen 8.30 Uhr früh.

Doch egal, ob nun Stadt oder Dorf: Geprägt wird Enfidha heute von seinem Wochenmarkt, ein Bauernmarkt, an dem die Bauern der Umgebung ihre Produkte von allen möglichen Gewürzen bis hin zu lebenden Hühnern und Schafen anbieten, ein Markt, auf dem sich die Bauern und Bäuerinnen – bei den Landfrauen sind die Trachten mit dem roten Kopftuch noch immer verbreitet – mit den Dingen des alltäglichen Bedarfs von Plastikstühlen bis zu Schuhen oder Küchensieben versorgen. Touristen sind unter den Marktbesuchern jedenfalls eine absolute Minderheit, denen die Einheimischen auch keine weitere Aufmerksamkeit schenken.

Das Marktgeschehen auf einem Platz am Rande des Ortes, gut drei vier mal so groß wie die ummauerte Altstadt von Hammamet ist bereits voll im Gang. Kunstgewerbe, Keramiken, Lederartikel, also das, was die Touristen normaler weise interessiert, fehlen praktisch ganz; dafür gibt es etliche Händler, die nichts anderes als ganze Wagenladungen mit Melonen anbieten, andere kommen mit Möhren, entweder auf LKW’s oder auf Eselskarren, eine ganze Straße voller Stände bietet alte, wohl schon getragene Schuhe, wobei sich die Kunden die jeweils zueinander passenden Exemplare einzeln aus den Schuhbergen heraussuchen müssen. In dieser „Straße“ findet man auch die Schuster, die eine Decke auf dem Boden ausgebreitet haben, neben sich ihre Werkzeuge ausgebreitet haben, um nun Sohlen zu kleben oder auseinander gehendes Schuhwerk wieder auf andere Weise zu flicken. Geldscheine sieht man ihren Kassen nicht und nicht einmal sonderlich viel silberne Dinar. Hier auf diesem Markt wird noch in Millilem gerechnet.

Fast am Ende der Schuhstraße hat ein Hühnerverkäufer seinen Stand errichtet. Die gackernden Hühner werden an den Flügeln gepackt, vor dem Kunden auf die Waage gepresst, bekommen dann den Hals durchgeschnitten und werden kopfüber in einen Blechzylinder gesteckt, damit sie ausbluten.

Auf die Schafe und Ziegen, die auf einem eigenen Areal am Rande des großen Marktes angebunden stehen, viele wohl schon seit Stunden in der mittlerweile prallen Sonne, ohne Schatten und Wasser, wartet wohl kaum ein besseres Schicksal, auch wenn sie hier nicht gleich unmittelbar vor Ort unter dem Schlachtermesser landen: Das hier ist eben keine Folklore sondern die Realität des Landlebens.

Takrouna, ein Berberdorf auf einem hohen Felsen im Vorläufer des Atlasgebirges, das nächste Ziel unseres Ausfluges, hat schon wieder etwas mehr von Folklore an sich. Denn das eigentliche Dorf Takrouna liegt heute weit zerstreut unterhalb des Felsens, auf den nun eine holprige Autopiste führt, die an einem jetzt bereits voller Landrover stehenden Parkplatz endet.

Matmata, das Erdhöhlendorf in der südlichen Steinwüste von Tunesien, steht für die eine Art der traditionellen Berbersiedlungen, klärt uns Adel, unser einheimischer Tourguide auf, Takrouna, das Dorf auf dem Felsen, der seine eigene Befestigungsanlage ist, die andere.

Was man schon von unten als hervorstechenden Punkt des Bergdorfes, das heute nicht mehr wirklich bewohnt ist, gesehen hat, war die schneeweiße Moschee mit ihrem Minarett, nun, vom Parkplatz aus, ist es diese Moschee, die sofort wieder ins Auge springt, das größte und wehrhafteste Gebäude des Ortes, den jeder Besucher passieren muss.

Takrounas Gassen sind der unbehauene Fels, nichts als die schmalen Streifen, die man zwischen den aus bräunlichem Stein errichteten kleinen Häuschen frei gelassen hat. Und als sei das alles nicht schon sicher genug, haben die Dorfbewohner um ihr Felsplateau herum auch noch eine Mauer errichtet, über die man nun hinunter auf die bebauten Felder im Tal sieht.

Mittelpunkt von Takrouna, falls der Begriff überhaupt passt, ist eine etwas größere freie Fläche, an der sich nun ein Kaffee für die zahlreichen Besucher findet sowie ein dunkler Raum in einem der benachbarten Häuser, der schlicht und ergreifend bei zwei Dinar Eintritt zum Museum deklariert wurde.

Von Takrouna geht es nun nach Zaghouan, einem landwirtschaftlichen Zentrum, von dem aus in der Zeit des Römischen Reiches die gesamte Provinz und vor allem das wieder errichtete Karthago über ein 180 Kilometer langes Aquädukt mit Wasser versorgt wurde. Um die Felsquelle, von der diese Wasserleitung aus gespeist wurde, errichteten die Römer einen Neptun-Tempel, der das Ziel unseres Abstechers ist.

Von der Quelle selbst ist nichts mehr zu sehen, nur in einem Becken unterhalb des Tempels steht noch das Wasser. Überhaupt sind von diesem Provinztempel nicht mehr geblieben als die Mauern des Halbrund, versehen mit den Nischen, in denen einst die Statuen der Nymphen standen und dem Kuppelbau über der einstigen Quelle, Standort der Neptunstatue. Noch am beeindruckendsten: Die Lage des antiken Heiligtums, unmittelbar zu Füßen eines steil hoch ragenden Felsens, der die ganze Anlage als fast bescheidene menschliche Huldigung des Wassergottes erscheinen lässt.

In Sidi Hammat, einem unscheinbaren Landstädtchen, endet unser Tagesausflug mit einem touristentypischen Mittagessen. Ein ummauerter ehemaliger Bauernhof wurde zum Restaurant umfunktioniert, das Brot wird über offenem Feuer an der Innenseite eines offenen großen Tonkruges gebacken, zu Flötenmusik und folkloristischem Tanz gibt es Kuskus und andere Nationalgerichte. Jenseits der Folklore bittet uns das Mädchen, das auf die Toiletten aufpasst, dann um ein Stück Brot.

Gegen 16 Uhr sind wir schließlich wieder in Hammamet in unserem Hotel.

Montag, 21. Juni 2004: Hammamet

Mit einem kleinen Schlauchboot fahren wir – zwei Mann Besatzung, vier Gäste – zu dem Tauchplatz im Süden von Hammamet, noch vorbei an Jasmine und an dem Jachthafen. Allerdings habe ich Probleme mit der Ausrüstung, muss den Tauchgang gleich wieder abbrechen. Die anderen haben immerhin einige Fische gesehen.

Am Nachmittag mache ich mich dann im Swimmingpool des Hotel Venus noch einmal mit der Ausrüstung etwas vertrauter.

Dienstag, 22. Juni 2004: Hammamet (Jasmine) und Festung

Der Ortsteil Jasmine hat mit dem übrigen Hammamet eigentlich wenig zu tun: Das ist eine Stadt für sich.

Morgens um 8.30 Uhr werden wir abgeholt, um im Yachthafen von Jasmine unsere dreistündige Tour mit dem Glasboot zu starten. Der Ort Hammamet selbst ist sicherlich durch und touristisch – aber hier in Jasmine gibt es entlang der großzügigen Strandpromenade nichts anderes als Hotelanlagen, von denen immer noch einige gerade im Bau begriffen sind. Vor einem Hotel mit dem Namen Karthago steht eine künstliche, aber absolut lebensecht wirkende Herde Elefanten, ein anderes Hotel verfügt über einen als Märchenschloss daher kommenden Vorbau – der Phantasie der Hotelarchitekten scheinen kaum Grenzen gesetzt. Nur ein normales Straßenkaffee, ein einheimisches Wohnhaus, einen kleinen Laden für die Dinge des täglichen Bedarfs – das sucht man hier vergebens.

Der Hafen selbst ist klein, ausgerichtet auf Yachten und die nachgebauten Piratenschiffe, die von hier aus die Touristen vor die Festung von Hammamet bringen.

Bis zu dieser Festung des alten Hammamet reihen sich nun von der Küste aus gesehen die Hotels; mit der Unterwasserwelt dagegen schaut es etwas bescheidener aus. Was wir vom Glasboot aus sehen ist vor allem Seegras, ab und zu kleinere Fische.

Etwas südlich vor der Festung stoppt unser Boot dann über dem Wrack eines Schiffes der italienischen Kriegsmarine, das hier nun seit dem zweiten Weltkrieg in vielleicht sieben Meter Tiefe begraben liegt. Mehr zu sehen als die Konturen einer der Außenwände ist allerdings nicht.

Am Nachmittag fahren wir noch einmal zur Altstadt von Hammamet. Gleich hinter dem Eingangstor der Stadtmauer liegt auch der Eingang zur Zitadelle von Hammamet, die man für einen Dinar besichtigen kann.

Die Festung, so berichten die erklärenden Texttafeln auch auf Deutsch, stammt aus dem 9. Jahrhundert, ist damit älter als die im 11. Jahrhundert errichtete Stadtmauer. Aber auch wenn der an der Nordseite gelegene Wachturm neben dem Minarett über der keinen Steinwurf entfernten Moschee das höchste Bauwerk der Stadt ist, so ist sie gemessen an anderen Befestigungsanlagen doch eher bescheiden. Streng genommen besteht sie auch nur aus den vier Außenmauern um den Zitadellenplatz, in dessen Mitte sich ein mit ebenfalls massiven Mauern ausgestattetes, ansonsten aber kleines und einräumiges Gebäude steht. In diesem Steinhaus findet man schließlich ein schmales Bett, vielleicht das Bett jenes abtrünnigen Johanniter- bzw. Malteserritters, der hier eine Weile als Kommandant gedient hat.

Viel genutzt hat die Festungsanlage den Einwohnern von Hammamet, das im Mittelalter und beginnender Neuzeit aus dreihundert armseligen Häusern bestand, aber eben so wenig wie die Stadtmauer, die die Bewohner, vor allem Fischer, dazu einige Kaufleute, wie die Tafeln berichten, aus eigenen Mitteln erbaut hatten und unterhielten. 1602 wurde der Ort Opfer des Angriffs einer kleinen Flotte maltesischer und sizilianischer Schiffe. Die christlichen Angreifer hatten sich einfach als Türken verkleidet, und die leichtgläubigen Einwohner Hammamets öffneten die Tore, eilten zum Strand, um die vermeintlichen Freunde zu begrüßen. 700 Einwohner des Ortes, praktisch alle Frauen und Kinder, dazu auch einige nicht erschlagenen Männer, landeten nach der Chronik, landeten danach auf den Sklavenmärkten von Malta und Sizilien. Die Schilderungen der Ereignisse auf den Texttafeln stammen übrigens von einem der Eroberer; für die offiziellen osmanischen Chroniken war das Scharmützel am Rande des Reiches wohl nicht einmal einer Erwähnung wert.

Aber irgendwie muss sich Hammamet von diesem Schlag erholt haben. Von dem Kaffee in dem Aussichtsturm blickt man nun am späten Nachmittag auf das bunte treiben in den Basargassen zwischen den weiß getünchten, manchmal leicht bläulichen Häusern, die auch allesamt recht schmuck hergerichtet sind.

Lederwaren sind die Attraktion des touristischen Basars. Für einen kleinen Rucksack aus Kamelleder will der Verkäufer zunächst 65 Dinar, mein erstes Gebot lautet auf 13 – und schließlich werden wir bei 28 Dinar handelseinig. In einem anderen Laden entdecken wir Schuhe aus Kamelleder, ebenso Hausschuhe, und für drei Paar lautet der erste Preis zunächst auf 100 Dinar. Ich biete 20, nach längerem Hin und Her zahlen wir dann 62,50 Dinar.

Mittwoch, 23. Juni 2004: Hammamet (Schiffswrack)

Familiär und persönlich wären Attribute, die durchaus auf das „Dive Center Venus Hammamet“ zutreffen würden. Dass Organisationsvermögen auch dazu gehört, kann man allerdings auch beim besten Willen nicht behaupten. Um 9.30 Uhr sind wir zum Tauchen verabredet, angeblich, weil es zu dem in 24 Meter Tiefe gelegenen Wrack im Süden gehen soll, nach über einer Stunde Wartens passiert aber immer noch nichts, und dann heißt es, dass es zu dem Wrack vor der Festung von Hammamet, also dem des italienischen Bootes im Norden geht.

Mit etlicher Verspätung geht es also auf das Schlauchboot, das mich zu dem bereits vor Anker liegenden Tauchboot einer anderen Tauchschule bringt. Und endlich geht es dann auch ins Wasser!

Das Wrack liegt in knapp sieben Meter Tiefe auf sandigem Boden. Inzwischen sind die Überreste des italienischen Militärbootes – nach rund 60 Jahren Liegezeit – mit Seegras, kleinen Muscheln und Anemonen bewachsen. Unter den Trümmern noch deutlich erkennbar ist der auseinandergeborstene Rumpf mit seinen stählernen Verstrebungen. Eine noch fast ganz erhaltene Außenwand von vielleicht 20 Metern Länge verrät etwas über die ursprünglichen Ausmaße des Schiffes, das wohl kaum mehr als ein kleines Patrouillenboot gewesen sein dürfte. Abgesehen von den Muscheln und den Anemonen haben sich nur einige Schwärme kleiner silberner Fische das in etwa hundert Meter Entfernung vom Ufer gelegene Wrack als neuen Lebensraum auserkoren.

Donnerstag, 24. Juni 2004: Tunis (Bardo-Museum, Karthago, La Goulette, Medina) – Sidi Bou Said

Um 8.30 Uhr – lediglich zehn Minuten später als vorgesehen – werden wir zu unserer Tagesfahrt nach Tunis, Karthago und Sidi Bou Said abgeholt. Der Bus führt über die Autobahn – und nach etwa einer Stunde haben wir bereits unser erstes Ziel, das Bardo-Museum von Tunis erreicht.

Untergebracht ist das Bardo-Museum im ehemaligen Palast des Bey von Tunis, streng genommen in zwei Palästen, weil sich an den Palast des Bey gleich der Palast seines ersten Ministers anschließt. Dabei wirkt die strahlend weiße Anlage von außen nicht so sehr wie das Schloss eines orientalischen Herrschers, als vielmehr wie ein großer, einzig und allein auf Zweckmäßigkeit bedachter Verwaltungsbau.

Das ändert sich allerdings, wenn man das Gebäude betreten hat. Die Decken der jetzigen Ausstellungssäle sind beispielsweise mit kunstvollen Insistarien aus Zedernholz verziert, oder, wie das Kuppeldach über dem Harem des Beys, von feinstem Marmorstuck bedeckt.

Aber berühmt ist das Bardo-Museum vor allem für seine Mosaiken-Sammlung, von denen wir zuerst die Grab-Mosaiken aus der christlichen, der byzantinischen Periode zu sehen bekommen. Erstes Exponat der byzantinischen Abteilung ist allerdings ein aus Marmor geschlagenes Taufbecken, ein Taufbecken, in das Priester und Täuflinge hinabsteigen mussten, um etliches größer als die Becken, die man aus den christlichen Kirchen Nord- und Mitteleuropas kennt.

Die Grabmosaiken zeigen dann die Porträts der Verstorbenen, nennen Daten und Jahreszahlen, sind dabei ungewöhnlich Präzise. Über ein Mädchen, dass keine neun Jahre alt wurde, heißt es beispielsweise dass es acht Jahre, zehn Monate, 23 Tage und sechs Stunden lebte.

Eine Statue des Apollo markiert den Übergang zur römischen Abteilung, deren Mosaiken nun wieder dem Leben gewidmet sind – insbesondere dem Weingott Bacchus, der in etlichen Darstellungen zu finden ist. Im Harems-Raum, dem, mit dem herrlichen Marmorstuck, hängt das einzige Mosaik, das den römischen Dichter Vergil, umgeben von den göttlichen Musen zeigt, andere Mosaiken zeigen Szenen aus dem Landleben reicher Römer, von Ernte und Jagd, wie das Mosaik, das im Landhaus einer Familie namens Julius gefunden wurde.

Einmalig wohl auch die „Speisekarten-Mosaiken“, typisch für die Speisezimmer, mit den Darstellungen von Früchten, allerlei Geflügel und Wild, aber auch den anschließenden Vergnügungen, die der Tafel folgten, etwa dem Würfelspiel. Dabei scheuten sich die römischen Künstler auch nicht, die Realität so darzustellen, wie sie nun einmal ist, beispielsweise den Hausherrn zu zeigen, wie er beim Würfelspiel gerade mogelt.

In der – kleinen – punischen Abteilung sind vor allem Vasen und andere Gefäße ausgestellt, dazu einige Masken, und gleich daneben schließt sich die vorgeschichtliche Abteilung an, in der unter anderem ein Neandertalerschädel sowie der Schädel eines Australopiticus zu bewundern sind.

Karthago, von den Römern zerstörte antike Metropole der Punier, dann von den Römern als ihre größte Stadt in Afrika wieder aufgebaut (zumindest behaupten das die tunesischen Reiseführer), dann beim Sturm der Vandalen wieder zerstört, ist nun als der reiche Villenvorort der tunesischen Hauptstadt wieder auferstanden, ein Vorort der privaten Prunkbauten und der in den sauberen Straßen parkenden schwarzen Edelkarossen, als der Ort, über dessen Hügeln auch der tunesische Präsident seinen weiträumig abgeschirmten Palast hat.

Von dem alten Karthago der Punier bekommen wir allerdings nicht viel zu sehen. Nur einige offene Grabstellen, etwa fünf bis sechs Jahrhunderte vor unserer Zeitrechnung angelegt, liegen auf unserem Weg zu den römischen Thermen, die Kaiser Antonius Pius im zweiten Jahrhundert für seine afrikanische Metropole errichten ließ.

Die Ruinen der Thermen beeindrucken vor allem durch ihre Kolossalität: Ein größeres Badehaus als dies hier gab es tatsächlich nur noch in Rom selbst.

Ein Modell zeigt die Thermen, wie sie ursprünglich ausgesehen haben, eine Anlage aus einem gigantischen, mit Schrägdach versehenem mehrstöckigem Gebäude; geblieben sind davon nur die massiven Unterbauten mit ihren mächtigen Torbögen, deren Funktion im einzelnen für den Laien kaum noch erkennbar ist. Zwei – nachgebaute – Säulen veranschaulichen dabei die ursprüngliche Höhe.

Sidi Bou Said, das Künstlerstädtchen in der Nähe von Tunis ist – mehr noch als Hammamet oder andere Städte – eine Komposition in Blau-Weiß. Durch das Stadttor gelangt man gleich auf die an den Berg geschmiegte Hauptstraße, und unmittelbar gegenüber diesem Stadttor befindet sich auch das „Dar el Annabi“, das zu einem kleinen Museum umfunktionierte Privathaus, das ursprünglich von einer reichen Familie islamischer Andalusien-Flüchtlinge gebaut wurde.

Von außen unterscheidet sich das Haus des „Dar el Annabi“ mit seinen weißen Mauern, dem blauen Eingangstor und den blauen Fenstern kaum von den Nachbargebäuden. Innen finden sich dann aber in den Zimmern des ersten Stocks lebensgroße Puppen in traditioneller Tracht, die das Alltagsleben einer wohlhabenden Familie wiederspiegeln sollen: Der Hausherr an seinem Schreibpult, Frauen beim Tee, und an die vorderen Räume schließt sich dann ein großzügiger Innenhof an, von dem es über Erker und verwinkelte Treppen zu den Nebentrakten des Gebäudes geht.

Einen Besuch lohnt das „Dar el Annabi“ aber vor allem aber wegen des Ausblicks, der sich von der Dachterrasse aus bietet: Auf das Gewirr schmucker weißer Häuschen mit den blauen Farbtupfern und feinen Keramikarbeiten.

Die Hauptstraße etwa 150 Meter weiter höher hinauf hat man dann von der Terrasse des „Matten-Kaffees“ noch einmal einen vergleichbaren Blick.

Bis zum Matten-Kaffee wimmelt die Stadt von Touristen – dahinter wird es dann etwas ruhiger, verirren sich nur noch wenige Menschen in die schmalen Gassen. Dabei wirkt die Stadt hier – ohne die Andenkengeschäfte – weitaus typischer. In diesem oberen Teil liegt dann auch der Parkplatz, von dem aus man hinunter auf die Bucht von Tunis schaut.

Zum Mittagessen fahren wir zurück nach Karthago, in das Restaurant „Phönix von Karthago“, ausgerichtet auf repräsentative Veranstaltungen wie etwa Hochzeitsfeiern mit mehreren hundert Gästen, ein Treffpunkt für die reichen Tunesier – und damit eben auch für die Einwohner von Karthago.

Unmittelbar neben dem Restaurant stehen die Überreste jenes Aquäduktes, das die Quelle von Zaghouan mit den Thermen von Karthago verband, nur noch ein kleines Teilstück, das aber doch erahnen lässt, wie gewaltig diese Wasserleitung mit ihrer Haupt- und Nebenlinien, der Vielzahl von Zwischenbecken doch gewesen sein muss.

Über La Goulette, das Viertel des Handelshafens, geht es nun zur Medina von Tunis. La Goulette wirkt – zumindest bei der Durchfahrt – als eine eher langweilige Vorstadt, nicht einmal sehr geschäftig, mit unauffälligen zwei oder dreistöckigen Wohnhäusern, für afrikanische Verhältnisse aber doch Zeugnisse eines wenn auch bescheidenen Wohlstandes, zumindest eines regelmäßigen Auskommens. 18 Fährstunden von den Häfen von Marseille und Genua entfernt ist La Goulette, so unser Reiseleiter Adel, der bevorzugte Wohnort der jüdischen und christlichen Minderheit von Tunesien.

Über die Avenue Habib Bourgiba, der eleganten Hauptstraße von Tunis, umsäumt von den prachtvollen Bauten der französischen Kolonialzeit, mit Straßenkaffees ähnlich wie auf dem Pariser Champs Elysee, dem Vorbild der Avenue Habib Bourgiba, nähern wir uns der Medina von Tunis.

Die Grenze der Medina wird durch das „Französische Tor“ markiert, einer Nachempfindung des Triumphbogens, ebenfalls aus der Kolonialzeit – wobei die Häuser an diesem Platz allerdings ebenfalls aus der Kolonialzeit stammen, wie auch die meisten anderen, die entlang der größeren Gassen der Medina noch zu finden sind.

Der Basar in der Medina ist klar auf die Touristen orientiert: Lederkamele, Töpferwaren, alle verschiedenen Arten von Andenken, einige Gewürze, so gut wie keine Lebensmittel – die Bewohner von Tunis selbst kaufen in den Einkaufszentren, wie es beispielsweise an der Avenue Habib Bourgiba inzwischen eines gibt.

Geradeweg vom Französischen Tor verläuft die sogenannte Ölbaum-Gasse, die direkt auf die Ölbaum-Moschee, die Große Moschee der Medina führt. Nur: Viel mehr als die Querfassade kann man von der Moschee hier nicht sehen – der ganze Platz ist schließlich dicht bebaut, nicht breiter als eine vierspurige Straße.

Wer die Moschee in Gänze sehen will, muss sich schon einen anderen Standort suchen: Ein Basari, den wir erst für einen Schlepper halten, führt uns zu einem solchen Platz. Zunächst durch den überdachten Souk der Gold- und Silberschmiede, deren Geschäfte allerdings eher klein, die Auslagen eher unscheinbar sind, dann zu dem Gebäude eines Teppichversands, was uns schon vermuten lässt, dass uns hier noch ein Teppich verkauft werden soll, schließlich auf das Dach des Teppich-Hauses – und von hier sieht man dann tatsächlich nicht nur die Moschee in Gänze, sondern hat auch einen Überblick über die Dächer der Altstadt.

Natürlich lädt uns unser Führer danach noch in sein Geschäft, in eine Gewürzhandlung, aber wir haben nun ja tatsächlich keine Zeit. Ich gebe unserem Führer ein Bakschisch von fünf Dinar, die er sich ja tatsächlich verdient hat, und wir verabschieden uns überaus freundlich. Die durchaus begründete Furcht, in die Fänge dubioser Schlepper zu geraten, sollte also nicht unbedingt zu einem übergroßen Misstrauen führen.

Gegen 18.00 Uhr sind wir schließlich wieder in Hammamet in unserem Hotel.

Freitag, 25. Juni 2004: Nabeul

Jeden Freitag ist in Nabeul der sogenannte Kamelmarkt, der mit Kamelen – außer dem vielfältigen Angeboten aus Kamelleder – nichts mehr zu tun hat. Der Kamelmarkt ist ein riesiger Basar für die Touristen, und im Angebot sind vor allem Keramikarbeiten, von riesigen Amphoren bis zu kleinen Kacheln, das alles entlang der breiten Hauptstraße im Zentrum von Nabeul.

M Rande des bunten Treibens liegt, von den Touristen weniger beachtet, der überdachte Souk, in dem auch die Einheimischen kaufen. Wir finden einen Schuster, bei dem wir für ein Paar Damenschuhe aus Kamelleder schließlich 19 Dinar zahlen. Ursprünglich sollten sie 22 Dinar kosten – immer noch weniger, als wir in Hammamet bezahlt hätten.

In der Nähe des überdachten Souks liegt schließlich der Zentralmarkt für Gemüse, alle anderen Arten von Lebensmitteln und Textilien, die auf dem Boden aufgestapelt liegen, wie in einem übergroßen Kramladen. Hier werden auch lebende Tiere verkauft, zwar keine Kamele, aber jede Menge Hühner, wobei sie hier allerdings nicht – wie in Enfidha – gleich an Ort und Stelle geschlachtet werden.

Gegen Mittag fahren wir zurück nach Hammamet, wo wir dann im Hotel auf unseren Transfer für den Rückflug warten.

Mehr Reisen und Infos auf meiner Homepage:
www.reisen.realedition.de


Beschriebene Orte und Sehenswürdigkeiten
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Autor: Detlef
erstellt: 23.03.2005
gelesen: 3798 mal
Stichworte: Tunesien, Afrika
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