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Mark Brandenburg /Uckermark - Tagesausflüge

Frankfurt (Oder), Slubice, Kloster Neuzelle

Tagesausflug Ende Oktober 2004

Wir haben uns fest vorgenommen, die Umgebung Berlins bzw. Brandenburg zu erkunden. Da das Wetter heute einigermaßen mitzuspielen scheint, fahren wir spontan nach Frankfurt an der Oder (ca. ein einhalb Stunden Fahrtzeit von Berlin). Die Stadt wurde in einem unserer Städteführer mit zwei Sternen bewertet – nun möchten wir herausfinden, ob wir diese nachempfinden können.

Die alte Hanse- und Handelsmetropole Frankfurt an der Oder wurde im Zweiten Weltkrieg fast komplett zerstört, von ehemals 750 historischen Häusern sind nur fünf erhalten geblieben. Bekannt ist die Stadt auch durch ihre 1506 gegründete Universität Viadrina, an der u.a. Heinrich von Kleist sowie Wilhelm und Alexander von Humbold studierten. 1991 wurde die Viadrina neu gegründet, nachdem sie 1811 mit Gründung der Universität in Berlin nach Breskau verlegt wurde.

Bei der Anfahrt begrüßen uns die ersten Plattenbauten – inzwischen mit Farbe etwas kaschiert und „hübsch“ gemacht. Im Zentrum sticht uns der 89 m hohe Oderturm ins Auge - ein klotziger Betonbau, der alles überragt.

Versöhnt werden wir, als wir an dem schönen Backsteinbau der Hauptpost vorbei fahren. Wir parken unser Auto hinter dem Rathaus und beginnen unseren kleinen Stadtrundgang.

Das 1945 stark zerstörte Rathaus ist vorbildlich wieder aufgebaut worden und macht den früheren Reichtum der einstiegen Hansestadt deutlich. Der prächtige Südgiebel im Stil der märkischen Backsteingotik ist bemerkenswert. Im Erdgeschoss befindet sich das städtische Museum Junge Kunst mit einer der umfangreichsten Sammlungen (ca. 12.000 Ausstellungsstücke) von Grafik, Malerei und Plastiken aus der DDR in Deutschland. Leider fehlt uns ein wenig die Zeit für eine Besichtigung.

Fast gegenüber vom Rathaus liegt die St. Marien Kirche, die sonntags leider erst um 13:00 Uhr öffnet.

Unser nächstes Ziel ist das direkt an der Oder gelegene Kleist-Museum, dass sich in dem wunderschönen Barockgebäude der ehemaligen Garnison-Schule (1777 erbaut) befindet. In diesem Literaturmuseum der Kleist Gedenk- und Forschungsstätte werden Leben und Werk des 1777 in Frankfurt (Oder) geborenen Autors Heinrich von Kleist vorgestellt. Heinrich von Kleist verbrachte hier einen Teil seiner Kindheit und studierte von 1799 bis 1800 drei Semester an der Viadrina, der Frankfurter Universität. Seine am stärksten wirkenden Werke sind bis heute die Novelle „Michael Kohlhaas“ (Erstdruck: 1810), das Lustspiel „Der zerbrochne Krug“ (Buchausgabe: 1811) und das Schauspiel „Amphitryon“. Eine wie wir finden sehr lohneswerte, informative und ansprechend präsentierte Ausstellung. Besonders haben uns zwei seiner Zitate gefallen:


Ich hoffe auf etwas Gutes, doch bin ich auf das Schlimmste gefasst.
- Kleist, 1801 / Paris -

Ein freier denkender Mensch bleibt da nicht stehen, wo der Zufall ihn hinstößt.
- Kleist,1799 -


Nach der Besichtigung gehen wir an die hinter dem Gebäude verlaufende Oder. Mit 850 km Länge gehört sie zu den großen Flüssen Mitteleuropas. Die im Mährischen Gebirge in der Tschechischen Republik entspringende Oder ist einer der naturbelassensten Flüsse Europas - Auenwälder und Überschwemmungsgebiete sind typisch für die angrenzenden Landschaften.

An der Anlegestelle ist zu dieser Jahreszeit nichts los. Die Fähre ist Ende Oktober nicht mehr in Betrieb. Wir gehen am Ufer entlang in Richtung Stadtbrücke. Auf der anderen Uferseite liegt die ehemalige Dammvorstadt, die 1945 nach dem Potsdamer Abkommen zu Polen kam und den Namen Slubice erhielt.

Die 1951 auf den Fundamenten des 1945 gesprengten steinernen Vorgängerbaus von 1895 errichtete Stadtbrücke verbindet die Stadtzentren von Frankfurt (Oder) und Slubice. Die Fahrrinnenmitte markiert die Grenze zwischen Deutschland und Polen - seit 1. Mai 2004 nicht mehr die EU-Außengrenze. 2002 wurde die Brücke erneut abgetragen, nun überspannt ein Neubau die Oder.

Nur fünf Minuten Fußmarsch trennen uns von Polen, die selbstverständlich auch per Auto befahrbar ist. Zweimal – bei der deutschen und der polnischen Zollabfertigung – müssen wir unseren Personalausweis vorzeigen, bevor wir die Brücke passieren dürfen. Auf der polnischen Seite der Brücke haben sich eine Apotheke und ein Zigarettenkiosk nieder gelassen, offensichtlich gefragte Artikel. Bei unserem Bummel durch Slubice bekommen wir einen kleinen Eindruck der Stadt. Abgesehen von ein paar (wenigen) alten Häusern hat die Stadt nicht viel Sehenswertes zu bieten und wirkt unattraktiv. Lohnenswert und ziemlich angesagt scheint es allerdings zu sein, in Polen einzukaufen, bereits auf der Brücke sind uns viele tütenbepackte Kurzbesucher entgegen gekommen. Neben Zigaretten scheinen auch Schnittblumen besonders beliebt zu sein, wie das Angebot an Blumenständen und –geschäften vermuten lässt. Uns reicht dieser kleine Eindruck, obwohl wir in der Nachbetrachtung vielleicht doch wenigstens noch den Markt hätten aufsuchen sollen, nur um zu sehen, welche Produkte hier angeboten werden. Hier noch ein kleiner Tipp: Es ist nicht zu empfehlen, nach Slubice mit dem Auto izu fahren, da man auf dem Rückweg mit langen Wartezeiten an der Grenze rechnen muss.

Wieder zurück in Frankfurt an der Oder setzen wir unsere Stadtbesichtigung fort. Nach der Stadtbrücke halten wir uns rechts und gelangen über die Oder-Promenade zur Friedenskirche - die älteste Frankfurter Kirche. Teile des Bauwerkes stammen aus der Zeit vor 1253, Halle und Chor aus dem 14. und 15. Jh. Nachdem 1540 die Stadt Frankfurt im Zuge der Säkularisierungen im Rahmen der Reformation die Klosterkirche der Franziskaner (heute Konzerthalle) als Gotteshaus erhielt, stand die Kirche lange leer. 1557 wird sie zu einem Kornspeicher umgebaut und ist leider nicht zu besichtigen.

Auch die nebenstehende Konzerthalle "Carl Philipp Emanuel Bach" in der ehemaligen Franziskaner Klosterkirche ist leider geschlossen. Die 1270-1525 erbaute dreischiffige Hallenkirche in norddeutscher Backsteingotik wurde nach der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg 1966 wieder rekonstruiert und wird seit 1967 als Konzerthalle genutzt.

Der Konzertsaal ist mit einem reichgegliedertem Sterngewölbe mit floralen Malereien geschmückt. 1987 wurde mit dem Anbau des Funktionsbaus begonnen. 1988 fertiggestellt, befinden sich hier Probenräume, Gaststätte, Garderoben, Büro- und Instrumentenräume. Jährlich finden über 100 Konzerte und Veranstaltungen statt.

Inzwischen ist es nach 13:00 Uhr, so dass zumindest die Marienkirche geöffnet ist. 1253-1524 wurde die fünfschiffige, größte Hallenkirche (nur 4 m schmaler als der Kölner Dom) der Norddeutschen Backsteingotik gebaut, brannte 1945 jedoch fast vollständig aus. Nur noch der mächtige Westturm und die Außenmauern blieben erhalten. Trotz verschiedener Notsicherungen kam es infolge zu weiteren Teileinstürzen.

Glücklicherweise waren einige der wertvollen Kunstschätze ausgelagert worden und konnten so vor dem Untergang bewahrt werden: der 4,70 m hohe siebenflammige wertvolle vergoldete Bronzeleuchter aus dem Jahr 1375, die Bronzetaufe von 1376 und der Hochaltar von 1489 mit seinen lebensgroßen Figuren, der zu den größten Schnitzaltären Brandenburgs gehört. Alle diese Schätze sind heute in der St. Gertraudkirche zu besichtigen (leider nur wochentags geöffnet).

Am 27. September 1974 schlossen die evangelische Kirchengemeinde und der Rat der Stadt Frankfurt (Oder) einen Pachtvertrag zur weiteren Nutzung der Marienkirche. Darin übernahm die Stadt die Verpflichtung, "die Ruine für allgemein gesellschaftliche Zwecke zu restaurieren, und teilweise auszubauen". 1979 begann die abschnittsweise Sicherung und Instandsetzung, Sakristei und Martyrchor wurden restauriert und in Nutzung genommen. Nach 1990 ging der Wiederaufbau in großen Schritten voran, der Turm erhielt seine Spitze wieder. Seit 1998 trägt das Langhaus wieder sein Dach auf dem größten originalgetreu rekonstruierten Vollholzdachstuhl in Deutschland.

Die Besichtigung der „Ruine unter Dach“ ist sehenswert. Viele Informationstafeln veranschaulichen die Geschichte der Marienkirche. Besonders schön ist die Sakristei, deren Deckengewölbe aufwändig rekonstruiert und originalgetreu bemalt wurde. In der Sakristei befindet sich eine Ausstellung über die ehemaligen Buntglasfenster, die nach 1945 von sowjetischen Behörden sichergestellten wurden. Nach langen Verhandlungen zur Rückführung von Kulturgütern zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Russischen Regierung befinden sich die Fenster der St. Marienkirche seit 29. Juni 2002 wieder in Frankfurt (Oder). Die Marienkirchfenster bestehen aus 111 Bildfeldern in der Größe von 83 x 43 cm, die in den drei Hauptchorfenstern entstanden zwischen 1360 und 1370. Die Fenster werden bis zur endgültigen Fertigstellung der Restaurierungsarbeiten im Märtyrerchor aufbewahrt, wo eine Restaurationswerkstatt eingerichtet wurde. Einige der bereits fertig gestellten Fenster sind ausgestellt.

Zwei Sterne hat die Stadt aus unserer Sicht wohl nicht verdient, aber das mag auch daran liegen, dass wir viele Sachen nicht besichtigen konnten.

Einem Tipp unseres Reiseführers folgend fahren wir nach Neuzelle (ca. 30 km von Frankfurt/Oder entfernt) zum Zisterzienser-Kloster. Ein Volltreffer! Die prunkvolle Stiftskirche aus dem 18. Jh. im Stil des märkischen Barocks mit 75 m hohem Glockenturm ist schon aus der Ferne beeindruckend. Der prachtvolle Innenraum der Marienkirche ist atemberaubend schön und erinnert uns an die bayrische Wieskirche in der Nähe von München. Zwölf herrliche Altäre, wunderbare Stuckarbeiten und Gemälde zieren den Innenraum.

Die Klosteranlage ist insgesamt noch gut erhalten und wurde bzw. wird stellenweise immer noch restauriert. Die Klausur mit 4 Kreuzgängen ist fast vollständig erhalten und (gegen Eintrittsgeld) zu besichtigen. Wir kaufen statt dessen eine Flasche Honig Met und besichtigen die Außenanlagen, die noch nicht restauriert wurden. Besonders schön angelegt ist der Klostergarten.

Direkt am Kloster liegt der schöne Backsteinbau der Klosterbrauerei Neuzelle, in der seit 1589 das Schwarzbier "Klosterbräu" hergestellt wird.

Im Brauerei-Shop sind wir von der Biervielfalt ganz begeistert und können es nicht lassen eine kleine Bier-Selektion u.a. „Schwarzer Abt“, „Anti Aging Bier“, „Schwarzes Elixier“, „Himmelspforte“ und „Mönchspils“ zu erstehen.


Nun steuern wir noch unser letztes Ziel an: Eisenhüttenstadt, ca. 9 km von Neuzelle entfernt. Zunächst folgen wir der Ausschilderung zum „historischen Viertel“. Enge Gassen und einige alte Häuser lassen mit etwas Mühe historischen Charme aufkommen. Das Zentrum der „Reißbrettstadt“ erkunden wir nur vom Auto aus. 1950 wurde die damals als Stalinstadt bekannte Stadt planmäßig angelegt. Am Reißbrett entworfen entstanden Wohnsiedlungen für Arbeiter. Wir fahren durch die Karl-Marx-, Friedrich-Engels- und Diehlower Straße, die heute unter Denkmalschutz stehen. Insgeheim können wir nur sagen: „Schön ist anders“ und beendeten mit diesem Eindruck unseren heutigen Ausflug.

© Anke Schlingemann und Detlef Hälker - November 2004


Reiseberichte und Fotos unter www.schlingels.de



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Autor: Anke & Detlef
erstellt: 24.03.2005
gelesen: 4148 mal
Stichworte: Deutschland,Uckermark/Brandenburg Eberswalde, Finowfurt, Kloster Chorin Frankfurt Oder, Slubice, Kloster Neuzelle,Biosphärenreservat Schorfheide / Werbelinsee Wünsdorf Bücherstadt - Bunkeranlage Stammlager Zossen, Deckname Zeppelin, Großer Stechlinsee,
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