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Einmal am Pol stehen, am Schnittpunkt aller Zeitzonen, wo sechs Monate Nacht und sechs Monate Tag herrschen. Er ist der Traum aller, die das ewige Eis verzaubert hat. Das ganze mit Ski, bei eisigem Wind, berstenden Eisschollen und mit einem 50-Kilo-Schlitten als Gepäck. Die „1. Deutsche Nordpol-Ski-Expedition" erreichte von der sibirischen Station „Borneo" den nördlichsten Punkt der Erde. , Reiseberichte, Fotos, Bilder, Reiseinformation, Reisetipps weltweit. Schreiben Sie Ihren Reisebericht. Zeigen Sie Fotos und Bilder online. Reiseerfahrung mit anderen teilen!
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Abenteuer: auf Skiern zum Nordpol!

Eine Allianz des Todes und der Schönheit

Eine Böe fegt Schneestaub über die beinhart gefrorenen Platten einer gefrorenen Wasserrinne. Der erfahrene Victor prüft die frisch gefrosteten Glatteisstellen mit einem Stichel auf ihre Tragbarkeit. Läuft das Wasser zu schnell in die Pickellöcher verzichten wir auf eine Überquerung der dünnen Eishaut und ziehen stundenlange Umwege einem kühlen Bad vor.

Der herausragende Polarforscher Fridtjof Nansen nannte die hohe Arktis „eine Allianz des Todes und der Schönheit". Generationen von Entdeckern hat der Nordpol inspiriert. Leidenschaft, Geldgier, Ruhmessucht und Patriotismus waren die Motive für Expeditionen an der Grenze der Daseinsmöglichkeiten. Was aber treibt moderne Menschen in Regionen, in denen im Sinne des Wortes der Hintern abfriert, wenn man sich beim Stuhlgang nicht beeilt? Für Polarexpeditionen braucht es eine besondere Motivation, ähnlich der beim Bergsteigen an der Leistungsgrenze. Die tagtägliche Schinderei gehört zum Spiel des „by fair means". In diesem rotierenden Labyrinth sind wir perfekte „Eroberer des Unnützen", wie der französische Alpinist Lyonel Terray Bergsteiger titulierte. Man wischt den Schnee vom Gesicht und setzt die Sturmmaske auf, wenn der Wind auffrischt. Es ist spannend, etwas zu tun, was vorher nur wenige geschafft haben. Der Nordpol aus eigener Kraft wird nie eine touristische Spielwiese werden.

Wir zerren unsere Zugeinheiten durch eine glitzernde Fabelwelt und haben den Zustand erreicht, bei dem nur elementare Bedürfnisse zählen. Nach der Tagesleistung lösche ich den größten Durst, stecke den Rakentenwerfer in die Anoraktasche („...wegen der Eisbären") und schlüpfe aus dem Zelt, um das abendliche „Bulletin" auszugeben. Ich stapfe von Zelt zu Zelt und verkünde Koordinaten und Kilometerleistung. Die Mitternachtssonne knallt kalt ins Gesicht. Es ist die schönste Zeit des Tages. Manchmal ist es ein stolzes Etmal, das ich verkünde, ein flüchtiges Denkmal menschlichen Willens und der Leidensfähigkeit. Endlos könnte jeder davon erzählen, wie es ist, im Sturm ein Zelt aufzubauen oder den enervierenden Kampf gegen die Kälte und die nur widerspenstig klebenden Felle zu gewinnen. Routine kehrt ein auf dem Eis.

Ständig kämpfen wir um ein wenig Wärme. Als Devise gebe ich aus: „Ihr dürft nie frieren. Wer kalt ist, dem nützt auch der beste Schlafsack nichts. Der ist nichts weiter als eine flexible Thermosflasche: hält Warmes warm und Kaltes kühl." Die aufgeplusterte Kunststoffhülle ist der Schlüssel zum Wohlbefinden. Nichts jedoch hilft gegen den Wasserdampf, der am Zeltdach kristallisiert und als Eisregen auf uns rieselt. Feuchte überall: vom Kochen, vom Wasserdampf der Rinnen, vom Schwitzen, vom Atem.

Beliebt ist die „Fünf-Minuten-Terrine für Abenteurer", gefriergetrocknete Fertigmenues, die mit heißem Wasser schnell ein schmackhaftes Essen ergeben. Travel Lunch hat sich auf Expeditionen bewährt. Den Beutel aufreißen, heißes Wasser drauf, umrühren, ziehen lassen, fertig. Jägertopf zum Frühstück ist der Hit. Dazu Pemmikan, das absonderliche Gemisch der Eskimos aus zerriebenem Trockenfleisch, mit Kräutern, Gewürzen und Gemüse, Talg und Fett. Eingerührt in heiße Suppe ist die Cholesterinbombe ein besonderer Genuß. Alle haben wir in der Kälte einen ungeheuren Fetthunger, Butter beiße ich vom Stück. Durst haben wir immer. Die Weithalsflasche aus Plastik mit dem gefrorenem Urin klopfen wir morgens an einem Eisblock aus. Nahrungsaufnahme und Stoffwechsel liegen eng beieinander. Zwei Aspirin pro Tag halten das Blut dünnflüssig und verringern die Erfrierungsgefahr. Wir fluchen, weil wir uns zu wenig Pfunde als Reserve angefressen haben. In der Arktis zittert man eine Speckschicht schnell ab.

Noch im Schlafsack kontrolliere ich morgens das Satelliten-Peilgerät. Wie war die Drift der vergangenen Stunden? Gelassen rechne ich nach, daß wir in der „Nacht" ein Drittel unseres mühsam erkämpften gestrigen Etmals verloren haben und nach Südwesten getrieben wurden. „Hamsterlaufrad" nennen wir den enervierenden Effekt. Er ist völlig normal.

Trügerische Nachtruhe. Ich krieche aus dem Zelt - und starre in einen bleifarbenen Wasserlauf. Im Gegensatz zum Seehund, der mich mit blanken Augen neugierig mustert, bin ich überhaupt nicht ruhig. Lautlos hat sich die Scholle 20 Meter vom Zelt gespalten. Heftig rotieren die Gedanken: Was wäre gewesen, wenn sich das Eis unter dem Zelt gesprengt hätte? Im minus zwei Grad kalten Wasser bleiben nur wenige Minuten zum Überleben. Und naß auf dem Eis sind die Chancen gleich null. Der Anblick ist ein eisiger Wachmacher. Wir sind wieder einmal von Wasserrinnen umzingelt.

Eiskalt erwischt
...übers Packeis
90 Grad Nord sind nicht greifbar
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Autor: Michael Vogeley
erstellt: 07.10.2003
gelesen: 7743 mal
Stichworte: Nordpol, Arktis, Arktis, Abenteuer
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