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Die See ging hoch und die Gefahren waren gross, als Michael Vogeley und Gerhard Miosga erstmals in zerbrechlichen Faltbooten durch die süd- amerikanische Magellanstrasse paddelten und sich damit in eines der schwierigsten Seegebiete der Erde wagten, die Kap Hoorn-Region. Sie folgten dem Weg des portugiesischen Entdeckers Magellan, der vor einem halben Jahrtausend den Weg vom Atlantik zum Pazifik fand und damit den Schlüssel für die Umrundung der Welt. Die Magellanstrasse liegt zwischen dem Atlantischen und dem Pazifischen Ozean. Sie trennt die Südspitze des südamerikanischen Festlandes von der Insel Feuerland. Die Meeresstrasse ist 563 km lang und zwischen 3 und 24 breit. Der portugiesische Entdecker Ferdinand Magellan befuhr diese Meerenge im Jahr 1520. Wir haben Hunderte Kilometer unberührter Wildnis vor uns - in welche Richtung auch immer. Ein Zurück gibt es nicht. Am "point of no return" starten wir. www.michael-vogeley.de , Reiseberichte, Fotos, Bilder, Reiseinformation, Reisetipps weltweit. Schreiben Sie Ihren Reisebericht. Zeigen Sie Fotos und Bilder online. Reiseerfahrung mit anderen teilen!
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Mit dem Kajak auf der Magellan Strasse / Estrecho

Paddel - Alltag + Gefahren

Eine kräftige Böe aus West rüttelt an den stabilen Zeltwänden. Erst war es ein einförmiges Singen, dann das Brausen eines rasenden Schnellzuges, Pauken- wirbel, Geschwirre wie Tausende Vögel, dann? Ruhe. Ein nerviges Hörspiel. Es ist heller Tag. Die Sonne lugt schüchtern durch einen schwarzen Wolkenvorhang. Der Kocher schnurrt. Ein Seeadler schwebt ein und landet elegant auf der kleinen Wiese. Wir stören ihn nicht, wir sind selbst Teil der Natur.

Draussen in der Strasse hat der ständige West aufgefrischt und weisse Kronen auf die Wellen gesetzt. Wir überwinden den inneren Schweinehund und paddeln aus der geschützten Bucht. Mindestens Wind- stärke Sechs, Estrecho-Alltag. Wir werden gehoben, geschoben und gedrückt. An den Uferfelsen gischten Brandungswellen. Wieder einmal werden wir gefordert und paddeln mit hohem Puls und noch höherem Adrenalinspiegel. Die anrollenden Wellen beobachten, abschätzen, die Angst kontrollieren, und, wie im Wildwasser, rechtzeitig mit dem Paddel hinter dem durchrollenden Brecher abstützen.

Keiner von uns darf kentern. Niemals! Wir hätten nur geringe Chancen, die Kajaks aufzurichten, auf den tanzenden Booten über Bug zur Luke zu kriechen, 'reinzuschlüpfen und das vollgelaufene Schiff auszuschöpfen. Nicht bei diesem Wellengang! In dieser aufgewühlten See sind wir chancenlos. Eine Eskimorolle ist mit den schwer beladenen Boote unmöglich. Manchmal sehe ich Gerhard nicht mehr. Dann haben wir eine Woge zwischen uns, obwohl wir nur wenige Meter nebeneinander paddeln. Oder ich sehe den silberfarbenen Vorderkiel seines Kajaks über mir.
Wir bleiben bei unserer Taktik in Ufernähe zu fahren, die ein trügerischer Sicherheitsfaktor ist. An der Steilküste würden die Kajaks bei diesem Wellengang zerschmettert. Hellwach und kritisch prüfen wir den Verlauf der Felsen. Landeplätze sind auch für unsere kleinen Boote rar: Zu dicht ist die Vegetation, zu abweisend das felsige Steilufer.



Williwaws

Wind und Wellen treffen uns von schräg hinten. Ich luge misstrauisch nach achtern, denn von dort rollt das Wetter. Eine kohlrabenschwarze Schauerwolke zieht auf und fegt einen Schwall Salzwasser- tröpfchen und Schnee mit einer Böenwalzen über die unruhige See. Ich passe höllisch auf, dass mir die Windstösse nicht das Paddel aus der Hand reissen. Graupelschauer prasseln auf die Spritzdecke und haben nur einen Vorteil: Wir haben beste Voraussetzungen dafür, einen kühlen Kopf zu bewahren.

Gischt wirbelt über das offene Wasser. Williwaws werden diese pikanten Fall- winde genannt, die mit Orkanstärke die Felsflanken hinunterorgeln und das Wasser zu Fontänen hoch peitschen. Wir schauen aus sicherer Position dem schauerlichen Spiel zu. Wortlos sehe ich Gerhard an: Wenn uns ein solches Wetter auf offener See erwischt, sind wir chancenlos, mausetot. Solche Böen können auch grosse Schiffe flach aufs Wasser drücken. Unsere Kajaks reagierten in diesen Schnellzug- winden wie Schaumflocken.

Ãœberlebenswichtig: das Barometer

Arved Fuchs, Kenner der Region, Seemann und berühmter Abenteurer, gab uns mit auf den Weg: "Wenn das Baro in kurzer Zeit in den Keller fällt, gibt es nur eine Taktik: An Land!" Die Kaltluft aus der enormen Eismasse der Antarktis wird über dem Meer mit Feuchtigkeit aufgefüllt, brandet ungebremst an die patagonischen Berge, entlädt sich dort und nährt eine der grössten Inlandeismassen der Erde, den Hielo Continental. In der Strasse, im Luv, regnet und stürmt es fast ununterbrochen. Fünf Meter Niederschlag pro Jahr werden nur von einigen tropischen Regenwaldzonen übertroffen. Ein triefendes Land.


Achterbahn im Paso Tortuoso

Ausnahmsweise ist heute ein schöner Tag, mit erträglichem Wind und gut fahrbaren Wellen. Jedem Sonnenstrahl schaue ich sehnsüchtig nach.
Die Blasen an den vom Eiswasser aufgeweichten Händen sind inzwischen strapazierfähigen Schwielen gewichen. Wir paddeln routiniert und kräftesparend in dieser Schlüsselstelle. Hier rennen die unterschiedlichen Gezeitenströme des Pazifik, des Atlantischen Ozeans und des bodenseegrossen "Sunds Seno Otway" aufeinander und bauen unberechenbare Kabbelseen auf. Crosstide ist der bezeichnende Name der Spitze der Insel Carlos III., die in die Engstelle ragt.

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"Feuerland blinkt als eine Linie fantastischer Berge. Robben umspielen uns, und wir geniessen die überwältigende Natur"

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Wir umrunden die trügerisch ruhige Südostecke der Halbinsel Cordova und haben die Herausforderung der Überquerung des Canal Jeronimo vor uns. Das nüchterne britische Seehandbuch mit dem blauen Kunststoffeinband warnt eindringlich vor unberechenbaren Kreuzseen. Doch wann und bei welchen Tidenverhältnissen treten die Wellen auf? Darüber schweigt sich das schlaue Brevier aus. Bis heute gibt es weisse Flecken auf der Landkarte, sind Seitenarme der Strasse nicht kartiert.

Die Windstärke

Die See schaut machbar aus, obwohl linsenförmige Wolken über ultramarin schimmernden Gletschern einen Sturm ankünden. Los!
Wir erhöhen die Schlagfrequenz und treiben die trägen Zweierkajaks über das Meer. Dann sind wir mitten im Kanal, hinter und vor uns nur Wasser. Eben war die See noch ruhig, doch in Se- kundenschnelle kocht es um uns. Die Stoffboote werden zum Spielball.

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Der Wind - Grundvoraussetzung für die Seefahrt, enorm wichtiges Wetterelement, bei zunehmenden Geschwindigkeiten aber auch eine grosse Gefahr. Doch wie bemessen sich die sog. Windstärken und welche Aus- wirkungen haben sie?

Meteorologen und Seeleute benutzen die dreizehnstufige Beaufort-Skala, um die Windstärke anzugeben. Sie wurde 1805 vom brit. Admiral Sir Francis Beaufort festgelegt und ist seit dem 1.1.1949 int. gültig.
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Wir tanzen auf rauhem Wildwasser und werden von federweisser Gischt beflockt. Wir reagieren auf die Brecher mit der Geschwindigkeit eines elektrischen Impulses. Der Wind dreht und droht uns auf die offene Strasse zu blasen, reisst die Wärme von den feuchten Neoprenhandschuhen. Wir kämpfen uns meterweise einer Bucht entgegen und fahren Achterbahn. Erstmals auf dieser Expedition spüre ich die ernüchternde Endlichkeit meiner Kraft...

Land unter den Füssen! Der rettende Urwald wogt im Starkwind wie die See. Ich liege in meinem wasserdichten Anzug nur wenige Meter neben der Brandung, die in die weite Bay rollt und sich im flachen Ufer verliert, Gerhard neben mir. Schwer atmen wir unsere Erschöpfung in den Kies. Wie lange sind wir am körperlichen und psychischen Limit gepaddelt, um lächerliche drei Kilometer zu überwinden?
Dieser verfluchte Kanal.


Der Südpunkt Amerikas, Cabo Froward


Nach fast zwei Wochen Einsamkeit und strenger Paddelei im engen Kajak stellt sich uns eine weitere Herausforderung. Heute ist der südlichste Punkt des amerikanischen Kontinents "dran". Der Südpunkt des Festlandes ist Cabo Froward, das für unsere Kajakexpedition zu einer weiteren Schlüsselstelle wird. Berüchtigt für sein Schlechtwetter haben wir dennoch die trügerische Hoffnung, nach dem Kap in windgeschütztere Ge- wässer zu paddeln.
Die Strasse biegt nach Nordosten ab, und hohe Berge scheinen Schutz vor dem permanenten Westwind zu versprechen. Wie so oft auf dieser Expedition wird uns das intelligente Kalkül durch die Realität aus dem Kopf geblasen.


Cabo Froward - Amerikas Südspitze

Fälschlich wird Kap Hoorn als die äusserste Spitze Amerikas bezeichnet. Doch das ist nur bedingt richtig. Denn das berüchtigte Kap wird von der chilenischen Insel Hoorn gebildet, die Willem Cornelis Schouten nach seinem Geburtsort Hoorn in den Niederlanden benannte, als es ihm als ersten Seefahrer gelang, dieses gefährliche Kap zu umschiffen.
Der südlichste Punkt des amerikanischen Kontinents aber ist Cabo Froward auf der chilenischen Halbinsel de Brunswick.


Früh, sehr früh, sitzen wir in unseren Booten. Nach der tobenden Nacht sind die "Weissen Pferde", wie wir die schaumigen Wellenberge nennen, verschwunden und akzeptablen Wogen gewichen. Der Wind bläst mit nur vier Windstärken aus Südwest und trifft uns von der Seite. Nur 15 Kilometer sind es vom letzten Biwak bis zum Kap. Doch an der Steilküste gibt es keine Möglichkeit, ans Ufer zu fliehen. Egal wie das Wetter ist, wie hoch die Wellen branden, wie stark der Wind bläst: Wir müssen durch. Welche Überraschungen wird der Südpunkt für uns bereithalten?

Die Spannung wächst. Wir rollen auf Cabo Froward mit seinem markanten 400 Meter hohen Felsen zu. Das riesige, eiserne Kreuz, vom Papst vor einigen Jahren eingeweiht und per Helikopter erreicht, beherrscht den steilen Gipfel. Wieder beutelt uns ein auffrischender Wind. Wir werden von kabbeligen Seen durchgeschüttelt, und ich bin fast erleichtert, wieder normale Verhältnisse zu haben. Wir rollen, paddeln mit voller Konzentration.

Dann der Felsen des Kaps, ein roter Leuchtturm... Gerhards nach oben gestreckte Daumen signalisiert: Geschafft. Wir reissen vor Freude die Paddel in die Höhe, sind leichtsinnig, und einige Sekunden nicht auf der Hut. Es geht gut. Tagelang waren wir wie scheue Tiere auf dem Sprung. Jetzt wartet nur noch "Strecke" auf uns. Der unberechenbarste Teil der Estrecho liegt hinter uns.

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"Ich bin geschockt. Wir paddeln auf eine rostende Bohrinsel zu. Ein Mahnmal für die abnehmenden Erdöl- und Gasressourcen, die der Region Reichtum schenken"
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Eine Traumbucht erwartet uns eine Meile hinter dem Kap. Die ruhige Bucht schreit nach einem Rasttag. Für uns Bergsteiger ist es Ehrensache und Pflichtübung, auf das Kap zu klettern und die Estrecho von oben zu erleben.Das riesige Eisenkreuz schwankt im Sturm, der noch stärker tobt, als unten in der Strasse. Wir taumeln im Orkan und können uns nur mit Mühe aufrecht halten. Der Endpunkt des Kontinents wirft uns fast um.



Die Zivilisation hat uns wieder


120 Kilometer trennen uns noch von den Menschen, von der südlichsten Stadt des Erdballs, von Punta Arenas. Hier haben wir die Expedition gestartet, hierher führen alle Wege - und Strassen. Auch die Estrecho.
Die Pflichtübung wird ein unerwartet harter Weg, der uns das Letzte abverlangt. Wir kämpfen gegen die Weststürme, die über die Berge fegen und das Meer zum Kochen bringen. Kaum zu glauben, aber wahr:


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Buchtipp:

Grönland mit Baffin Island
Michael Vogeley und Ingrid Ferschoth-Vogeley Taschenbuch - 256 Seiten (1996) Bruckmann, Mchn.; ISBN: 3765429481
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Der erste Führer, der verschiedene Trekkingformen in der Arktis vorschlägt und die geographischen und kulturell homogenen Regionen auf Baffin Island und Grönland zusammenfasst.

Winzige fünf Meter vom Ufer entfernt, mit Windmühlenpaddeln gegen orkanartige Böen anzukämpfen, um den greifbar nahen Kiesstrand zu erreichen, werden zum Überlebenstrip. Wir haben allen Ehrgeiz, nicht über die 30 Kilometer breite, kochenden Strasse auf die mit Zuckergussbedeckten Gletscher Feuerlands geblasen zu werden. Hier, im "sicheren und ruhigen Teil", erfahren wir nicht nur unser Limit, sondern ahnen auch die Grenzen des Menschenmöglichen.

Die Ufer sind flach, der Strand ist kiesig, und mein Bewegungshunger ist grenzenlos. Kilometer treideln wir die schweren Kajaks am flachen Ufer. An Paddeln ist nicht zu denken. Eine völlig neue Dimension: die Estrecho zu Fuss? Die seitlich anrollenden Wogen und die Fallböen lassen uns keine Wahl. Wir wollen Punta Arenas mit fairen Mitteln erreichen, aus eigener Kraft.
Vorbei ist es mit der Unberührtheit der Landschaft, der Wildnis, der Menschenferne. Die Zivilisation wirft ihre Schatten. Wir verlassen ein isoliertes und empfindliches Ökosystem. Fröhlichbunte Wellblechhäuser blinken im fantastischen subantarktischen Licht. Wir haben es geschafft...








Hernando de Magellan
point of no return
Lebensmotto: aus eigener Kraft
Bücher von Michael Vogeley
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Autor: Michael Vogeley
erstellt: 09.10.2003
gelesen: 5659 mal
Stichworte: Chile, Magellan, Abenteuer, Kajak, Estrecho, Südamerika
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