Las Vegas - Super AmerikaSonnenuntergang in Las Vegas Eine wunderbare Library! Man sieht sofort, dass diese Stadt Geld hat. So viele Computer in einer riesigen Halle. Eine luftige Architektur, Glas, Stahl, Möbel aus massivem Holz und eine angenehme, klimatisierte Atmosphäre. Freundliche Staffs, viele Studenten und auffallend viele Black People darunter. Ich brauche eine Guest ID und bekomme ihn auch anstandslos, muss mich aber (das erste Mal) ausweisen. Ich informiere mich bei ARD, CNN und Spiegel Online über die Lage und checke die Mails. Dann laufe ich über den Campus zurück zu meinem Camper, der sich in eine Sauna verwandelt hat: 36° im Schlafzimmer. Ich lege mich zum Schwitzen eine halbe Stunde hin.
Kurzen Hosen, weisses Hemd, barfuss in die Sandalen. So erkundige ich die Umgebung auf der Suche nach einem Shop, der mir CD's brennen kann. Nichts, kein solcher Service auch nicht in der UNLV. Die Adresse, die man mir in der Library gegeben hat gibt es, aber hier wird nur gedruckt. Wer braucht schon eine CD?? Die Studenten. Und sie können sich mit ihrem ID an der Uni auch CD's brennen.
Es ist 17 Uhr als ich wieder bei meinem Camper bin. Die Sonne strahlt voll auf seine Breitseite und jetzt sind innen 40 Grad. Was mache ich jetzt? Wenn ich Bilder von Las Vegas haben will, dann ist der Sunset und der Abend günstig. Also jetzt. Ich fahre mit dem glühenden Auto die Tropicana Avenue hinunter in Richtung Westen, der Sonne entgegen. Ich muss die Sonne im Rücken haben. Also an der Freiheitsstatue vorbei, über die Brücke und die erste Parkgelegenheit ist hier der Wilde*Wilde*Westen. Das war eine gute Strategie. Schon von hier aus sieht man eine beeindruckende Silhouette und jetzt lasse ich das Auto stehen und laufe über die Strasse (ohne Fussgängerwege) in Richtung Freiheitsstatue.
Die Bilder zeigen, was Las Vegas ist: Eine einzige, bunte Show, damit die Leute Spass daran haben, ihr Geld auszugeben. Im prüden, verklemmten America ist hier das Glücksspiel und das Trinken von Alkohol ohne die üblichen Beschränkungen erlaubt. Umsonst gibt es freizügige Show's halb nackter Mädchen. In viele Etablissements kann man von den Ladys gegen Dollars auch mehr bekommen. Auf der Strasse werden den vielen Besuchern Bilder mit Adressen und Broschüren in die Hand gedrückt, die man sonst in Amerika offen nicht sieht: 'Auf Anruf komme ich rund um die Uhr. Spätestens in 20 Minuten bin ich bei Dir!' Das Special für 85 Dollar, im Double 170 Dollar. Die vielen Hotels sind auf dieses Geschäft spezialisiert.
Da wo die nachgebaute Freiheitsstatue steht, ist das Zentrum von Las Vegas. Die Architektur auf dem Strip dient nur einem Zweck: Schreien, Auffallen, Anbiedern: Touristen aller Länder, >HIER< geht's zur Show! Nur deswegen stehen in LV die Nachbauten der 'Top Events' der ganzen Welt: Von Luxor in Ägypten über New York, London, Venedig bis zum Eifelturm ist hier alles zu sehen (... wo ist Berlin?). Es ist beeindruckend, mit welchem Aufwand diese Bauten erstellt worden sind. Alle diese Attraktionen sind Hotels mit riesigen Spielsälen. Die dunkle Pyramide von Luxor ist mindestens 20 Stock hoch und die Palmen sind so echt, wie die am Nil. Aber weil es den Show Effekt erhöht und das Geschäft befördert, fährt eine riesige Achterbahn um die Attrappe des Empire State Building. Hauptsache die Leute reissen den Mund auf und wollen hier mindestens eine Nacht verbringen. Billige Übernachtungen, Preise ab 19,95 $ aufwärts (nicht im Zentrum). In den grossen Hotels kann man ab 60 $ absteigen, Discount, je länger man bleibt.
Der grösste Clou von Las Vegas sind unbestritten die 'Einarmigen Banditen', also die ganz trivialen Spielautomaten. Um sie bedienen zu können, braucht mach weder lesen noch schreiben zu können. Man braucht auch nicht hinzugucken, man kann die Show verfolgen, während man Münze für Münze in den Schlitz steckt. Es klingelt, wenn man gewonnen hat. Auch braucht heute niemand mehr kiloweise Coins oder Chips für diese Automaten mitschleppen. Eine CreditCard genügt, der Automat hat einen Schlitz dafür, spuckt aber trotzdem noch Coins aus. Unerlässlich für den Kick, wenn man gewonnen hat.
Diese Automaten lieben die Amerikaner über alles. Sie stehen inzwischen auch in jeder besseren Kneipe ausserhalb von Las Vegas. Glücksspiel, Alkohol und Prostitution sind in Amerika illegal, aber nicht in Las Vegas. Dort ist seit 1931 alles erlaubt. Die historischen Gründe sind typisch für den bewundernswerten amerikanischen Pragmatismus: Wie soll man in der Wüste von Nevada Geld verdienen? 1931 hatte man hier die entscheidende Geschäftsidee: In Nevada wurde das Glücksspiel, der Alkoholausschank, die Prostitution, die Blitzheirat und die Blitzscheidung legalisiert. Das erste grosse Spielkasino wurde im Jahr 1946 eröffnet. Seitdem boomt die Wüste.
34 Millionen Besucher 1999 in Las Vegas. Tendenz: Jedes Jahr eine Million Besucher mehr. Jeder Besucher verspielt im Durchschnitt 513 Dollar pro Tag. Nicht nur an den einarmigen Banditen. Natürlich kann man hier auch mit Karten und am Roulett um Geld spielen, man kann auf Football, Pferde und Hunde wetten. Beim Spielen wird man mit Show's und von schönen Mädchen unterhalten, man kann essen und trinken, man kann shoppen, schwimmen und billig übernachten. Alles ist für Geld zu haben und alles wird dafür getan, dass Geld ausgegeben wird. Man kann aber auch nur gucken. Nirgends muss man Eintritt bezahlen oder wird animiert. Hier läuft alles von alleine und wie geschmiert. Nur grosse Show's kosten Geld - der Zauberer von Claudia Schiffer ist gerade in Las Vegas.
Ich laufe barfuss, in kurzen Hosen und einem nicht mehr ganz weissen T-Shirt durch die riesigen Spielhallen. Keiner hält mich auf. Auch wenn man sehen würde, dass ich nicht mal eine Unterhose anhabe, wäre ich hier hoch willkommen! Denn vielleicht lasse ich ja 10 Dollar in dieser Halle. Das reicht schon, denn bei Tausenden von Besuchern summiert sich das schnell. Denkste, ich bin kein Spieler. Mich interessieren nur die anderen Spieler und ein paar Fotos mit Sonnenuntergang, Palmen und Mond.
Um 20:30 Uhr bin ich wieder 'zu Hause'. Mein Camper steht an der Tropicana Avenue, ca. 600 m westlich der Freiheitsstatue, also fast im Zentrum von Las Vegas. Trotzdem ist hier schon der Hund begraben. Die Fassade von Las Vegas reicht nicht weit. Staubiges, brach liegendes Bauland mit Müll, die Wild*Wild*West Gambling Hall & Hotel und ein paar weitere, billige Hotels mit Spielhallen, Tankstellen und Shops. Hier ist schon nicht mehr das schrille Las Vegas, hier ist abgesehen von den Casinos, schon wieder America normal. Vor und hinter dem Glitzerstrip liegt ein breiter Streifen Brachland. Spekulation auf die weitere Bebauung. Die Tropicana Avenue führt durch dieses Niemandsland, in dem es nicht mal mehr eine Strassenbeleuchtung gibt! Aber die bunte Fassade von Las Vegas mit den vielen grossen Projektionsflächen leuchtet herüber: Die Pyramide des Luxor: Ein riesiger Scheinwerfer strahlt von der Spitze in den Himmel und von dieser kleinen, hellen Pyramide da oben laufen in unregelmässigen Abständen 'Sternschnuppen' über die Kanten der Pyramide nach unten. Links davon ist das bunte Exalibur, das Märchenland, zu sehen. Auf der anderen Strassenseite leuchten die Wolkenkratzer von New York mit der Freiheitsstatue. Leider hat man beim Nachbau von NYC gleich auf das WTC verzichtet, sonst würden diese beiden Türme jetzt hier noch stehen.
Das ist die Sicht aus meinem Camper, jetzt um 21 Uhr und bei einer Innentemperatur von 33, aussen 32 Grad. Eigentlich habe ich in diesen drei Stunden alles gesehen, was für mich in Las Vegas interessant ist. Mehr ist zu Las Vegas nicht zu sagen. Show, Spielautomaten und Attrappen sind nicht meine Welt. Alles das kann man in jeder grösseren Stadt Europas auch haben. Aber dass sich auch die Architektur total der Show und dem Business unterwirft, das ist nur in Las Vegas zu erleben.
Heute wäre mein Vater 101 Jahre alt geworden ... was hätte er zu meinem heutigen Trip gesagt? Das bunt flackernde Las Vegas just for fun und eine arme, sozialistische, 'Gärtnerische Produktionsgenossenschaft' (GPG) in Wernigerode, die täglich um die Planerfüllung 'ringt'. Ein grösserer Gegensatz ist kaum vorstellbar.
1. Kapitel Abends auf dem Glitzerstrip Start nach Kalifornien
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